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Russenkreuz
Von Stadtwiki
Das Russenkreuz ist ein Denkmal aus der Zeit der Napoleonischen Kriege kurz nach 1800 und befindet sich im Oststadtpark in Pforzheim.
Zu den Denkmäler von Alt-Pforzheim zählt ein schlichtes, religiöses Steinkreuz, das sogenannte Russenkreuz. Es steht in dem alten, im Jahre 1588 errichteten Pforzheimer Friedhof im Osten der Stadt. Dieser bis 1863 belegte Friedhof, wurde 1898 zur Parkanlage umgestaltet und dient heute als Oststadtpark den Bürgern als Erholungsstätte.
Das steinerne Kreuz trägt keine Inschrift und keine Namen. Vor langen Jahren wurde es auf einem Massengrab errichtet. Heute gilt es als Erinnerungsmal an bestimmte Menschen, deren Namen wohl niemanden je bekannt gewesen sind. Das Kreuz dient heute als Symbol einer schweren Leidenszeit in den Tagen unserer Urgroßväter und als solches wird es auch zu den ‘‘Denkmalen'‘ der Pforzheimer Vergangenheit zählen.
Geschichte
Im Jahre 1805, kurz nachdem Napoleon Bonaparte sich zum Kaiser der Franzosen hatte krönen lassen, brach der große Krieg zwischen Frankreich und Österreich aus. Die Stadt Pforzheim, an der großen Heerstraße gelegen, erlebte innerhalb weniger Tage den Durchmarsch von mehr als 60 000 Mann französischer Truppen, die zum großen Teil hier einquartiert wurden. Am 2. Oktober kam Kaiser Napoleon selbst mit Gefolge durch die Stadt. Das Kriegsgewitter verzog sich schnell nach Osten und schon am 2. Dezember 1805 fiel in der ‘‘Dreikaiserschlacht‘' bei Austerlitz die Entscheidung, die Napoleon auf den Gipfel seiner Macht führte. Und nun begann in Pforzheim der Durchzug in umgekehrter Richtung. Französischen Truppenteilen, die nach Frankreich zurückkehrten. folgten bald auch Transporte von Verwundeten und Kranken, die in ihre Heimat zurückbefördert wurden. Im Schulhaus und anderen Räumen mussten Militärlazarette errichtet werden, die sehr schnell von Transportunfähigen überfüllt waren.
Um die Jahreswende 1805/1806 ging wie ein Lauffeuer die Nachricht durch die Stadt, dass demnächst große Mengen russischer Gefangener hier eintreffen würden, die nach Frankreich weitertransportiert würden. Man machte sich die abenteuerlichsten Vorstellungen von diesen fremden Menschen und sah deren Eintreffen mit Angst und Spannung entgegen. Damals ging das Gerücht herum, dass unter den gefangenen Russen eine Verschwörung im Gange sei und dass sie versuchen wollten, in der Stadt Feuer anzulegen und sich mit Gewalt zu befreien, wurde schnell ein Wachtdienst organisiert.
Als aber dann am 7. Januar 1806 die ersten Trupps dieser Gefangenen hier eintrafen, sah man bald, dass von diesen völlig ermatteten, vielfach kranken Menschen keine Gewalttaten zu erwarten waren. Schnell machte die Angst dem Mitleid und der Neugierde Platz und die gutmütigen Pforzheimer wetteiferten nun darin, den Fremdlingen durch Speise und Trank zu helfen. Die meisten von ihnen wurden in der Schlosskirche eingesperrt, die noch lange Zeit Spuren dieser Einquartierung in Gestalt von Beschädigungen an Denkmälern usw. trug.
Die Gefangenen wurden nach wenigen Tagen zum größten Teil weitertransportiert. Eine beträchtliche Anzahl von ihnen, mussten jedoch fieberkrank in Pforzheim bleiben. Sie hatten einen furchtbaren Gast mit gebracht, den Typhus, dem hier eine große Anzahl von ihnen erlag. Die Toten wurden von ihren Kameraden meist in später Abendstunde bei Fackelschein nach ihrer heimischen Sitte nackt zum Friedhof getragen und dort in einem großen gemeinsamen Grabe beigesetzt. Diese unheimlichen Leichenbegräbnisse machten einen tiefen Eindruck auf die Bevölkerung der Stadt. Man hat später auf ihrem Massengrab das große Steinkreuz errichtet als Symbol dafür, dass man auch diese unglücklichen Opfer des Krieges als christliche Mitbrüder betrachtete.
Statt der gefürchteten Brandlegung jedoch, hatten die Russen in der Stadt ein anderes Feuer entzündet, welches der Bevölkerung schweres Unheil brachte, da die damalige Medizin dieser Krankheit noch ziemlich hilflos gegenüberstand. Bald gab es in vielen Häusern der Stadt Typhuskranke. Wenn man sich die hygienischen Verhältnisse der damaligen Zeit vergegenwärtigt, dann kann man sich nicht wundern, das die Epidemie schnell einen solch großen Umfang annahm. Die ganzen Abwässer der Häuser in den engen Gassen der Stadt ergossen sich in die "Winkel' zwischen den Gebäuden, von wo sie beim nächsten Regen auf die Straße geschwemmt wurden. Ein Spital besaß Pforzheim seit der Zerstörung im Orleans'schen Kriege überhaupt nicht. Zwar war schon seit langem die Rede von der Errichtung eines solchen; aber es musste zuerst dies große Unglück kommen, bis man sich zum Bau eines Spitals in den sehr unzulänglichen Räumen des früheren „Unteren Bades" am Waisenhause entschloss! So lagen die Kranken in den engen, überfüllten Wohnungen der Stadt. Die Ärzte, allen voran der bekannte Dr. Johann Christian Roller, der wenige Jahre nachher ebenfalls ein Opfer dieser Krankheit wurde, taten ihr Möglichstes zur Bekämpfung der Krankheit und zur Fürsorge für die Erkrankten. Vor allem galt ihr Kampf auch der Quacksalberei und dem Aberglauben, der viele Menschen davon abhielt, rechtzeitig ärztliche Hilfe zu suchen. Viele hundert Pforzheimer lagen an der Krankheit darnieder, die insbesondere unter den jungen Frauen aller Stände viele Opfer forderte. Die Kirchenbücher zeigen, dass das Jahr 1806 weit über 280 Todesfälle mehr aufwies als der Durchschnitt der vergangenen Jahre gewesen war, für eine Stadt von knapp 5 000 Einwohnern eine sehr erhebliche Ziffer. Erst im Laufe des Sommer ließ die Seuche allmählich nach und war gegen den Herbst 1806 wieder so ziemlich erloschen.
So ist das Russenkreuz für die Pforzheimer nicht nur ein Grabmal für die vielen dort beigesetzten unbekannten fremden Soldaten, sondern es ist ein Erinnerungsdenkmal an eine Zeit schwerer Heimsuchung ihrer Vorfahren.
Literatur
- Pflüger, Johann G. F. – S 680
- Trost, Oscar „Lebendige Vergangenheit“ -