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Kriegserlebnisse Friedrich Esenwein

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aus "Erinnerungen an den Krieg und Gefangenschaft"; aufgeschrieben von Friedrich Esenwein, Maulbronn 2007

Inhaltsverzeichnis

Einberufung

Es war nicht leicht, Begeisterung zu zeigen in einer Familie, wo noch täglich zu Tisch gebetet und am Abend die Tageslosung aus einem Gebetbuch vorgelesen wurde. Wir Jungen waren halt begeistert, gab es doch anfangs des Krieges nur Blitzkriege nannte man es damals (Wikipedia zum Thema „Blitzkrieg”). Ich erinnere mich noch gut an den Ausspruch eines Schulkameraden: "Wenn uns einmal Bärte wachsen bis auf den Boden solang, so kännen wir doch nicht sagen, da waren wir mit dabei." Auf dem Höhepunkt des Siegesrausches hat es uns doch eingeholt. Ende 1941 Anfang 1942 wurden wir dann alle vom Jahrgang 1923 zu den Waffen gerufen. Die Ausbildung in der Kaserne gab uns einen Vorgeschmack von dem, was auf uns zukommen sollte. Unser Zugführer, ein Leutnant, erklärte - und den Satz werde ich nie vergessen - "Die Ausbildung in der Heimat muss so streng sein, dass der Tod an der Front eine Erlösung bedeutet". So kam der September 1942 der Transport wurde zusammengestellt, Nachschub für Rommel nach Afrika (Wikipedia zum Thema „Erwin Rommel”). Die Fahrt über München, Salzburg, Belgrad Richtung Griechenland. In Gedanken waren wir schon in Ägypten und wollten mit Rommel Kairo einnehmen, aber kurz nach Belgrad wurden wir mit dem brutalsten und unmenschlichsten Krieg konfrontiert. Wir mussten das Partisanengebiet Morawatal passieren. Nachts zu fahren war unmöglich. Der Zug wurde von allen Seiten beschossen, gesprengte Brücken waren notdürftig geflickt. So waren wir gezwungen, auf irgendeinem kleinen Bahnhof anzuhalten. Die Partisanen waren darauf abgerichtet, aufgestellte Posten, ja selbst Doppelposten geräuschlos zu überwältigen, anderntags fand man sie tot, bestialisch zugerichtet. Unsere Euphorie hatte einen gehörigen Kratzer bekommen. Endlich hatten wir Saloniki, Griechenland, erreicht. Weiter ging es nach Athen, der Flugplatz hieß Tatoi. Inzwischen wurde der Vormarsch von Rommel bei El-Alamein gestoppt. Es wurden keine Truppen mehr nach Ägypten geflogen, nur noch Kriegsmaterial hinüber und Verwundete zurück. Nach einer Woche Aufenthalt in Griechenland ging es mit der Bahn über Athen, dem Kanal von Korinth nach Patras. Wir hatten keine Ahnung, wohin es ging. Wir wurden in die Ju 52 verfrachtet und ab ging es nach Reggio, Italien. Bei herrlichem Wettern sahen wir täglich den Ätna und bei Nacht wie er Feuer spuckte. Drei Tage später wieder aufdem Flugplatz an der Nordseite von Sizilien entlang nach Tunesien, unser Ziel Bizerta. Dort mussten wir die französischen Truppen entwaffnen und das Land besetzen. Inzwischen war der Rückzug der deutschen Gruppen so schnell gegangen. Die Übermacht war zu groß. Deutsche Transportschiffe wurden torpediert oder von Bombenangriffen versenkt. Englische Geleitzüge kamen ungeschoren durch. Wir versorgten uns mit Beutefahrzeugen von den Engländern. Selbst General Rommel hatte als Befehlswagen einen englischen Spähwagen. Einmal war es den Engländern gelungen, durch die Wüste zu stoßen und dann ans Meer vorzurücken. Als man General Rommel meldete, wir seien eingeschlossen, sagte er nur: "Das ist gut, jetzt können wir nach allen Seiten schießen." So haben wir es auch gemacht und kamen wieder frei. An der Lybisch/Tunesischen Grenze gab es einen ca. 8-wöchigen Stopp. Dort wurde eine Verteidigungsstellung errichtet. Aber in der Zwischenzeit kamen amerikanische und französische Truppen von Westen aus Richtung Algier. Flugblätter wurden abgeworfen mit dem Text "Links die Wüste, rechts das Meer, armer Landser Deine Heimat siehst Du nimmermehr" (Wikipedia zum Thema „Landser”).

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (1)
Dauer: 1:13 min


Verletzung bei Tunis (Wikipedia zum Thema „Tunis”)

Der Ring wurde immer enger, dann hatte ich noch das Pech; am 4. Mai 1943 wurde unser Panzer abgeschossen, 3 Kameraden waren gleich tot, ich schwer verletzt, allein der Fahrer kam ohne Verwundung davon. Den ganzen Tag musste ich warten bis mich jemand fand und mich in ein Feldlazarett brachte. Mir wurden die Granatsplitter z.T. entfernt und es wurde versprochen, andern Tages mit Rot-Kreuz Ju 52 (Wikipedia zum Thema „Ju 52”) nach Italien gebracht zu werden. Man hat es auch versucht, wir wurden auf Lkw-Pritschen und in Richtung Flugplatz Tunis gefahren. Noch vor dem Flugplatz war die Fahrt zu Ende, das Rollfeld stand schon unter Artilleriefeuer, brennende Jus und ein einziges Chaos. So kamen wir in das nahegelegene Karthago. Eine alte fensterlose Schule war als Lazarett eingerichtet, dort kamen wir andern Tages am 8. Mai 1943 in Gefangenschaft, gemerkt habe ich nichts davon, ich war k.o. Die Behandlung, es waren Engländer, war sehr gut. Als wir Verwundeten halbwegs transportfähig waren, wurden wir nach ca. 4 Wochen in ein großes Zeltlazarett verlegt, 80 km nordwestlich von Tunis, der Ort hieß Thibar. Eine große Farm mit Weinbau und Getreide rund um unser Lager. Auch hier englische Bewachung, es ging sehr kameradschaftlich zu. Oft saßen die Engländer am Abend mit uns im Zelt und wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Ein Blinder, der auch in unserem Zelt war, er war in Niefern bei Pforzheim zu Hause war, hatte bald die Fertigkeit, mit Hilfe eines Stockes und seines Gehörs allein auf der Lagerstraße zu gehen, kam er dann in die Nähe des Tores, wo der englische Posten stand (die Engländer kannten ihn alle), gingen sie hin und sagten, er solle wieder kehrt machen und meistens bekam er dann, wahrscheinlich aus Mitleid, eine Schachtel Zigaretten. Unser blinder Kamerad nicht dumm, auch nicht faul, machte ein Geschäft daraus, und kam täglich mit Zigaretten oder auch mal mit Schokolade zurück, er selbst war Nichtraucher! Nochmals auf die Fahrt von Karthago nach dem Zeltlazarett zu kommen, spätestens dort an diesem Tag sagte ich mir, diesen Krieg können wir niemals gewinnen. Wir fuhren entlang dem Hafen von Tunis. Er war voll von amerikanischen und englischen Transportschiffen. Nagelneue Lkw, Panzer nicht zu zählen. Die Straßen in und um Tunis glichen Alleen links und rechts Kriegsmaterial Meter hoch gestapelt. Kilometerlang Bomben, Granaten, Benzinfässer, für uns unvorstellbare Mengen. Alles war für die Invasion nach Italien bereitgestellt. Wie oft mussten wir wertvolle Fahrzeuge stehen lassen und sprengen, weil wir keinen Sprit mehr hatten. Schießen hätten wir auch oft können, aber wir hatten nichts oder nur ganz wenige Granaten im Panzer. Im September 1943 wurden dann unsere schwer verwundeten Kameraden, Amputierte, Blinde usw. über das Internationale Rote Kreuz ausgetauscht.

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (2)
Dauer: 1:06 min


In den USA

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (3)
Dauer: 0.55 min

Am 5. Oktober 1943 ist dann das Lazarett aufgelöst worden. Wir wurden vom nahegelegenen Bahnhof Suc-el-Kemis (Wikipedia zum Thema „Souk El Khemis”) nach Richtung Westen , Oran war das Ziel, verfrachtet. Hier war der Hunger unser Begleiter, aber unsere englischen Bewacher und wir waren erfinderisch. Hielt der Zug auf irgend einem Bahnhof, waren wir sofort von Arabern umlagert. Da ich nach meiner Verwundung überhaupt keine Kleider mehr besaß, alles war versengt und zerschossen, bekam ich von einem deutschen Arzt einen ganz neuen Schlafanzug, es war wochenlang meine einige Kleidung. Diesen Schlafanzug boten wir den Arabern dann gegen Obst, Fladenbrot, einfach gegen Essbarem an. War dann der Handel perfekt, ging der Engländer, unser Bewacher, mit seinem Karabiner hin und nahm dem Araber den Schlafanzug wieder ab. Wie oft auf dieser Fahrt er so verschachert wurde, ich weiß es nicht. Auf alle Fälle habe ich drei Jahre später diesen Schlafanzug mit nach Hause gebracht. Am 10. Oktober 1943 wurden wir dann den Amerikanern übergeben, jetzt war Schluss mit Kameradschaft mit den Bewachern. Jetzt waren wir nur noch Feinde, auch keine Deutsche mehr, Nazis und sonst nichts. Dieser Name sollte uns nun drei Jahre begleiten. Das Lager 131 in Oran war schlecht bewacht und so flohen des Nachts haufenweise die Landser in der Hoffnung, die spanisch-marokkanische Grenze zu erreichen. Aber Algerien war nicht Tunesien, ein Tunesier hätte nie und nimmer einen deutschen Soldaten verraten oder gar ausgeliefert, hier aber bekamen sie Kopfgeld für jeden, den sie zurückbrachten. Am 26. Oktober 1943 wurden wir dann im Hafen von Oran eingeschifft. Ein ganz gewöhnlicher Transporter von der Liberty -Klasse. Ein dunkler Bunker auf Stahlplatten war 21 Tage unsere Bleibe. Bevor wir an Bord kamen, hat man uns fast alles, was wir besaßen, abgenommen. Die Parole der Amis war: "Wirf alles weg, in Amerika bekommst Du alles neu." So haben wir das wenige, das wir hatten, angezogen, ich auch meinen Schlafanzug. Obwohl unser Kapitän ein Jude war, hat er uns 1000 Gefangenen erlaubt, bei der Durchfahrt durch Gibraltar an Deck zu gehen. Vor dem Hafen von Casablanca sammelte sich der Geleitzug, es waren mehr als 100 Schiffe, begleitet von Kreuzern und Zerstörern. Die ersten Tage waren schön ruhige See und wir durften alle Tage von Tagesanbruch an an Deck gehen. Zwei Mal war auch U-Boot-Alarm, es war ja noch Krieg, es ist aber nichts passiert. Dann aber kam Sturm auf und der Aufenthalt an Deck war unmöglich. Brecher überrollten das Schiff. Als wir nach Tagen wieder nach oben durften, waren die Rettungsinseln, die für uns auf dem Deck lagen, alle über Bord gegangen. Für viele noch nicht ganze Gesunde und Seekranke gab es Probleme, aber wir hatten einen Sanitäter, er stammte aus dem Kloster Münster-Schwarzach bei Würzburg, der setzte sich für die Kranken ein, dass sie ein Mal am Tag ein warmes Essen bekamen.

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (4)
Dauer: 1:40 min

Der Sanitäter hielt auch auf dem Schiff und auch später im Lager in den USA Gottesdienste ab, er war ja Mönch in dem Kloster, bis zu seiner Einberufung. Viele Jahre später, in den 90er, haben wir noch wenige von damals uns in Bad Griesbach getroffen. Wir "gesunden" bekamen täglich drei Mal eine kleine 100 g Dose Meat + Beans, aber nur kalt. Eine Woche lang konnte man es noch essen, aber dann widerstand es uns trotz Hunger. Das Wasser wurde knapp, an waschen nicht zu denken, grade so viel um den Geschmack der Bohnen hinunter zu schwenken. Das Datum des Zerfalls war auch schon Monate überschritten, ja das gab es damals schon bei den Amis. Aber wir waren ja nur Gefangene. Als wir wieder witterungsbedingt an Deck durften, war unsere Hauptbeschäftigung Läuse knacken, die haben uns fast aufgefressen. Endlich nach 21 Tagen sahen wir Land, Norfolk im Staat Virginia (Wikipedia zum Thema „Norfolk”). Die Stadt ist eine einzige große Schiffswerft, alles taghell erleuchtet. Die Amis konnten Tag und Nacht arbeiten, keine Verdunklung, kein Fliegeralarm. Einen Tag noch mussten wir auf dem Schiff bleiben, aber dann ging es los. Wir mussten amerikanisches Tempo lernen. Zwischen Ausschiffen und verfrachten in Pullman-Schnellzugswagen, mit Polstersitzen und Leselampen, verging vielleicht eine Stunde. In der Zeit wurden wir zuerst entlaust, mit 100 % Erfolg, geduscht, jeder bekam ein Stück Seife "Lux" und ein neues blendend weißes Handtuch, danach neue Unterwäschen, wir kamen aus dem Staunen nicht heraus, dann noch Personalien aufgenommen. Geschaut, ob einer das Tätowierungszeichen (Wikipedia zum Thema „Blutgruppentätowierung”) unter dem Arm hatte, das war für die Amis sehr wichtig, aber es war keiner dabei, denn in Afrika gab es keine SS (Wikipedia zum Thema „Schutzstaffel”).

Fort Robinson

Baracken im Fort Robinson
Lageplan des Camps
Beschreibung des Camps
Übersetzung Legende

Der Ort hieß Fort Robinson, es war in den Jahren der Besiedlung um 1800 durch die weißen Siedler ein bekannter militärischer Stützpunkt. Viele Schlachten mit den Indianern haben hier im Vorfeld der Rocky Mountains stattgefunden. Auch der berühmte Indianerhäuptling Crazy Horse (Wikipedia zum Thema „Crazy Horse”) wurde hier in Fort Robinson auf dem Weg zu Verhandlungen von den Weißen ermordet, keine 100 Meter von unserem Lager weg geschah es und noch heute steht dort ein Denkmal. Fast alles hier war militärisch. 6000 Maulesel wurden hier gezüchtet und als Tragtiefe im Dschungelkrieg gegen die Japaner eingesetzt. Ebenso ca. 2000 Hunde, als Meldehund, Schlittenhund. Alle dieser Tiere zu pflege und füttern war Aufgabe von uns. Auch ich war anfangs dort beschäftigt, es hat mir aber nicht gefallen. Wir mussten mit hochaufgeladenen Wagen durch die Koppeln fahren und immer wieder links und rechts Heuballen abwerfen.

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (5)
Dauer: 1:10 min

Da ich durch meine Verwundung am Auge Gleichgewichtsstörungen hatte, meldete ich mich krank. So kam ich mit relativ wenigen Gefangenen zum Ernteeinsatz auf die Farmen in den nächsten Ort, 50 Meilen entfernt auf offenem Lkw. Hier kam ich vom Regen in die Traufe. Obwohl mir die Arbeit nicht fremd war, Zuckerrüben und Kartoffeln roden im Akkord, 3 Tonnen Zuckerrüben oder 60 Säcke Kartoffeln am Tag und pro Person. Die Akkordarbeit war gut zu schaffen, nur die menschliche Behandlung war sehr schlecht. Alle Farmer dieses Orts, "Whitny" hieß dieses Kaff, waren deutscher Abstammung, sprachen auch noch sehr gut deutsch. Ein einziger machte eine Ausnahme, er war sehr gut zu uns. Einer hat sich sogar zu dem Ausspruch hinreißen lassen, dass, wenn wir nach Hause fahren, soll das Schiff untergehen. Dort haben wir den Spruch gelernt: "Gott schütze uns vor Sturm und Wind und Deutsche, die im Ausland sind." Selbst eine Handvoll Kartoffel, die wir am Abend mit nach Hause nehmen wollten, nahm uns dieser "Landsmann" ab. Im Lauf des Sommers 1944 kam ich zu einem Arbeitskommando: Sauberhaltung des amerikanischen Lagers. Als wird sechs Gefangene vor einer amerikanischen Baracke arbeiteten, wir unterhielten uns, da kam ein Ami heraus zu uns. Wir kannten ihn alle, er war Dolmetscher und täglich bei der zweimaligen Zählung dabei. Er fragte ich, woher ich in Deutschland sei, von der Gegend von Stuttgart, sagte ich. Nun wollte er wissen woher genau. Ich sagte von Maulbronn. Er lachte und ich war von den Socken. Er war Jude und hatte bei einem Papiergroßhändler in Stuttgart als Vertreter gearbeitet. Damals, lange vor dem Krieg, fuhr man noch mit der Bahn und nun zählte er mit alle Häuser auf vom Stadtbahnhof bis hinein in den Klosterhof. Vor allem Buchbinder Maier (Maulbronner Bürgerfreund) und Buchhandlung Krüger im Klosterhof kannte er persönlich. Wir unterhielten uns noch eine Weile über Maulbronn. Dann sagte er, ich suche einen Mann für einen 1-Mann-Arbeitsplatz, aber er muss absolut ehrlich und zuverlässig sein. Ob ich es machen wolle. Wikipedia zum Thema „Fort Robinson”

Arbeit im Club

Ich war plötzlich zum Verwalter und Pfleger eines privaten nur für Feldwebel und Offiziere einrichteten Clubs geworden. Das Ganze war im Zentrum vom amerikanischen Camp eingerichtet, eine Baracke ganz für sich. Meine Aufgabe war, alles was abends im Club verbraucht wurde, aufzuschreiben und ihm den Zettel zu bringen. Nachmittags kam dann die Ware und ich musste sie in dem Regale stellen bzw. in den Kühlschrank. Auch die Sauberhaltung des Raums oblag mir. Ich durfte mir von den Regalen nehmen, was ich wollte, nur durfte ich mich nicht betrinken oder etwas mit ins Lager nehmen. Das war natürlich der Job. Mein Gott, dachte ich, ein Dummkopf, er sich so einen Job versaut. Parallel zu dieser Clubbaracke war die Verwaltung des gesamten Camps untergebracht. Hier hatten die Offiziere ihre Büros und im ersten Büro saß der Lagerführer, von Dienstgrad war er ein Oberst.

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (6)
Dauer: 1:34 min

Ein sehr strenger, aber auch korrekt und menschlich. In seinem Büro arbeitete auch seine Tochter als seine Sekretärin. Jeden Morgen kam sie und nach eine Sekretärin herüber in die Clubbaracke, wo ich arbeitete, um Pause zu machen. Die Baracke war zweigeteilt. Der hintere Teil ein Aufenthaltsraum war tagsüber offen, mit Polstersessel und Sofa, Musikbox auch ein WC war da. Diesen Raum musste ich auch sauber halten. Dass ich es so einrichtete, in dem Raum zu arbeiten, immer wenn die Mädchen Pause machten, war doch klar und bald fragte mich die Tochter vom Oberst: "Wie heißt die Arbeit, die Sie gerade tun?" Ich erschrak nicht schlecht auf meiner Leiter, von diesem schönen Mädchen angesprochen zu werden. Aber von dem Tag an redeten wir miteinander, sie sprach einigermaßen gut Deutsch und eines Tages machte sie mir den Vorschlag: "Ich lerne Sie alle Tage ein oder zwei Wörter englisch und Sie mich ein paar Worte Deutsch." Da ich bis dahin außer ein paar englischen Kraftausdrücken, Soldatensprache eben, nicht viel kannte, war es mir aus mehreren Gründen willkommen. In unserer Lagerbibliothek nahm ich ein kleines Büchle mit dem Titel "Immensee". Es war eine Liebesgeschichte und sie brachte mich beim Vorlesen einige Mal in Bedrängnis. Ein Satz brachte mich schwer in Verlegenheit. "Der junge Mann hatte dem Mädchen ihre nassen Haare zärtlich aus ihrem Gesichtchen gestrichen". Was ist zärtlich, fragte sie mich. Nun saß ich in der Klemme. Wie erklärt ein deutscher Kriegsgefangener der Tochter des amerikanischen Lagerkommandanten, was zärtlich ist. Aber wir haben uns verständigt und sie hat mir versprochen, es nicht ihrem Vater zu sagen. Dieser Sommer 1944 bis Kriegsende im Mai 1945 war unser Camp nicht mehr Haupt-, sondern nur noch Seitenlager und die meisten Offiziere wurden versetzt, so auch unser Lagerkommandant und mit ihm auch seine Tochter. Sie kamen in ein großes Camp nach Colorado. Auch der Offiziersclub wurde aufgelöst., und so verlor auch ich meinen schönen Job. Als wir uns voreinander verabschiedeten, bat sie mich um meine Heimatadresse und sie hat Wort gehalten. Mehr als 20 Jahre haben wir uns geschrieben, es war eine treue Seele. Den Winter 1945/1946 bis zu unserem Abtransport Richtung Heimat arbeitete ich noch als Heizer in einem großen Gebäudekomplex, die Verpflegung war ja ab Kriegsende sehr schlecht, aber es hat mich wenigstens nicht gefroren.

Bilder Camp

Rücktransport

Am 26. Januar 1946 begann der Rücktransport. Ab Camp Carsen in Colorado wieder quer durch die USA nach dem Camp Eustis. Nahe bei Washington. Dieses Lager musste jeder ehemalige Gefangene passieren, denn dort wurden wir entnazifiziert (Wikipedia zum Thema „Entnazifizierung”). Sechs Tage lang von morgens bis abends Unterricht über Demokratie, dabei in dieser Woche drei Mal anschauen der Gräuel in den KZ. Der Besuch war Pflicht, es gab kein kneifen. Am Ende dieses 6-Tage-Rennens, wie wir es nannten, wurde uns noch und heilig versprochen, alle nach Deutschland entlassen zu werden. Im Hafen von New York wurden wir auch am 5. März 1946 eingeschifft. Zielhafen unbekannt. Nach 10 Tagen, die Verpflegung war zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel, landeten wir in Le Havre, Frankreich. Ich hatte wieder Glück, aufgrund meiner Verwundung am Auge und weil mir ein amerikanischer Arzt, ein Jude, wertvolle Tipps gegeben hat, wie ich mich bei der Untersuchung beim französischen Art verhalten soll, wurde ich zu den wenigen aussortiert, die in die Heimat durften.

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (7)
Dauer: 1:29 min


In Freiheit und Heimkehr

Am Abend des 20. März 1946 erklärte man uns, dass heute Nachricht um 4 Uhr das Lagertor aufgemacht wird und wir müssen ca. 10 km zu Fuß zum Bahnhof laufen. Wer nicht rechtzeitig am Bahnhof ist, bleibt hier. Ich habe in dieser Nacht nicht geschlafen, zusammen mit einem Kameraden aus Knittlingen machten wir uns um 4 Uhr auf den Weg und kamen auch rechtzeitig an. Viele meiner langjährigen Kameraden mussten noch zwei Jahre in Frankreich arbeiten, einige ehemalige Pioniere sogar nochmals nach Tunesien, um Minen zu räumen. Die Fahrt durch Frankreich auf offenen Plattformwagen war ein Spießrutenlaufen. An Böschungen und auf Brücken standen französische Zivilisten und bombardierten uns mit Steinen. Ab dem Saargebiet war dann Ruhe.

Nun sahen wir die Zerstörung unserer Städte, Saarbrücken, Mainz nur Trümmer. Wir wussten nicht, wohin die Reise ging, durch Bayern, Donauwörth, München, Bad Aibling, dort war Ende der Irrfahrt. Auf einem ehemaligen Flugplatz bekamen wir dann um 31. März 1946 unsere Entlassungspapiere und eine Fahrkarte. Das Trümmerfeld Ulm werde ich nicht vergessen, das Münster stand inmitten von Ruinen, als hätte man es in einen Schutthaufen gestellt. Die Weiterfahrt über Stuttgart endete in Kornwestheim. An diesem Tag ging kein Zug mehr Richtung Mühlacker!“ Bruchsal. Die Bahnhofsmission schickte uns in einen nahe gelegenen Kindergarten, dort konnten wir übernachten. Zwei ältere Kindergärtnerinnen machten uns am Morgen sogar einen Kaffee. Dann kam die letzte Etappe unserer Reise, nochmals eine Überraschung. In Mühlacker angekommen, schauten wir nach einem Zug nach Maulbronn und auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig standen mein Vater, zwei Tanten und eine Cousine. Sie kamen von einer Konfirmation von Lauffen a.N. Das war vielleicht eine Begrüßung. Nun waren genau vier Jahre vergangen, als ich von zu Hause fort musste. Viele waren doppelt so lange fort und noch viel mehr kamen nicht mehr zurück. Auf allen unseren späteren Reisen ins Ausland haben wir uns zur Aufgabe gemacht, Soldatenfriedhöfe zu besuchen. Sie alle wären auch lieber wieder in ihre Heimat gekommen. Im Nachhinein: "Es war unsere Jugendzeit, aber wir haben sie Gott sei Dank überlebt und hoffen und wünschen, dass solches sich nie mehr wiederholt."

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (8)
Dauer: 1:37 min


Nachtrag

Meinen heimlichen Wunsch, nochmals das Gefangenenlager zu sehen, erfüllte ich mir zwei Mal, im Sommer 1993 und 1995. Zusammen mit meiner Frau und unserem jüngsten Sohn. Zuerst nach Boston. Ein alter Freund, der nach dem Krieg dorthin ausgewandert war, lud uns ein und erklärte sich bereit, uns in den mittleren Westen zu begleiten, das war eine große Hilfe für uns. Wir blieben einige Tage bei ihm in seinem schönen Haus, dann ging es (in Amerika fliegt man) über Detroit nach Denver Colorado. In der Nähe von Denver in Fort Collins besuchten wir eine Cousine von mir. Sie besuchte mich während der Gefangenschaft zusammen mit ihrem Vater drei Mal im Lager.

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Kriegserinnerungen Friedrich Esenwein (9)
Dauer: 0:54 min

Dann ging es weiter nach Nebraska. Wir erreichten gegen Abend mit unserem Mietwagen das Ziel Fort Robinson. Es hat sich dort in der langen Zwischenzeit überhaupt nichts verändert. Das ehemalige Postamt ist heute ein Museum. Ein großer Raum ist den ehemaligen Gefangenen gewidmet. Alles was die Amis beim Abriss der Baracken fanden, ist dort ausgestellt. Man kann sich anhand der Betonplatten der ehemaligen Baracken noch gut orientieren. Ich jedenfalls habe ohne Mühe sofort den Platz meiner alten Baracke gefunden. Die Amis mähen sogar jährlich mehrmals die Lagerstraßen sauber, dass im Falle ein ehemaliger Gefangener zu Besuch kommt, er sich zurecht findet. Da staunte ich nicht schlecht. Alle ehemaligen Gefangenen, welche das Lager besuchten, werden in dem Museum fotografiert sowie auf Band festgehalten und ich habe festgestellt, es waren nicht wenige. Viele Adressen habe ich hier gefunden.

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