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Bundeswehrdepot
Von Stadtwiki
Das Bundeswehrdepot liegt am Rand des Waldgebiets Erzkopf beim Jettenbrunnen nördlich der Verbindungsstraße zwischen Huchenfeld und Würm. Es besteht seit 1972. Es wurde 1970 öffentlich bei einem Bürgerfrühschoppen als reines Gerätedepot vorgestellt. Es sollten dort Ausrüstungsgegenstände, Kraftfahrzeuge, Ersatzteile und Pioniergerät gelagert werden. Eine Verwendung als Treibstoff- oder Munitionsdepot war angeblich nicht vorgesehen.
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Lagerung von Chemikalien
Im April 1991 kommt an die Öffentlichkeit, dass zwischenzeitlich die Bundeswehr zwei der Hallen hat umrüsten lassen, dort schon 700 Tonnen Perchloräthylen gelagert sind und die Einlagerung von weiteren 1400 Tonnen Calciumhypochlorit bevorsteht. Die Chemikalien seien Dekontaminierungs-, also Reinigungsmittel, um nach einem Angriff mit Chemiewaffen Panzer und militärisches Gerät zu säubern.
Protest gegen das Chemie-Lager
Am 25. Juni 1991 gründet sich die "Bürger-Initiative gegen Chemie-Einlagerung im Militär-Depot Pforzheim e.V.", die den Protest gegen das Chemie-Lager mit einer Bürgerversammlung in der Stadthalle, Informationsflugblättern und Unterschriftslisten sowie einem ökumenischen Familiengottesdienst zum Thema "Bewahrung der Schöpfung" organisiert. Aufgrund der Beschlüsse der Ortschaftsräte von Hohenwart, Huchenfeld und Würm sowie aufgrund des einstimmigen Beschlusses des Gemeinderats der Stadt Pforzheim erklärt die Bundeswehr den Verzicht auf die geplante Einlagerung der 1400 Tonnen Calciumhypochlorit – ein in der Geschichte der sozialen Bewegungen ziemlich einmaliger Vorgang, dass Bürgerinitiative und Stadt an einem Strang ziehen, bis zum obersten Gericht in Berlin.
Gerichte und Abgeordnete
In mehreren, sich über sieben Jahre hinziehenden Auseinandersetzungen gelingt es dem Rechtsamt der Stadt Pforzheim vor Gerichten bis zum Bundesverwaltungsgericht in Berlin nicht, die schon eingelagerten 700 Tonnen Perchloräthylen umweltgerecht beseitigen zu lassen. Zwar unterstützen alle im Wahlkreis Pforzheim/Enzkreis gewählten Mitglieder des Bundestags, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, das Anliegen der Bürger-Initiative und der Stadt Pforzheim. Die Abgeordneten bleiben, ganz gleich, welche Koalition in Bonn bzw. Berlin regiert, gegen das Beharrungsvermögen der Bundeswehr ohne Einflussmöglicheit.
"Restrisiko"
Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshof Mannheim und des Bundesverwaltungsgerichts Berlin stufen es als für die "Wohn- und Arbeitsbevölkerung" zumutbar ein, mit einem "Restrisiko" zu leben. Dieses "Restrisiko" ergibt sich aus den Eigenschaften der Chemikalien Perchloräthylen laut Fachliteratur und Feuerwehrhandbüchern:
- Perchloräthylen verseucht das Grundwasser (Wassergefährdungsklasse 3), das heißt der naheliegende Jettenbrunnen und der östlich im Würmtal gelegene Glasbrunnen sind gefährdet;
- bei Erhitzung können die Dämpfe Hornhautschäden bis zur Erblindung hervorrufen;
- es besteht die Gefahr von Leber- und Nierenschäden;
- bei Erwärmung über 150° Celsius entsteht Phosgengas, ein Giftgas, das im Ersten Weltkrieg als Kampfstoff eingesetzt wurde: 3,2 Gramm Phosgengas pro Kubikmeter Luft töten 50 % der Menschen, die es eine Minute einatmen.
Als Argumente gegen die Chemielagerung werden von der Bürger-Initiative angeführt:
- ungefährliche Ersatzstoffe sind bekannt, sie wurden jedoch nicht erforscht und angewandt[1];
- Standortalternativen wurden nicht erwogen oder öffentlich diskutiert;
- die chemische Industrie ist in der Lage, die Chemikalie – wenn sie denn benötigt würde – in Wochenfrist herzustellen[2];
- die Bundeswehr spricht im "Schlimmstfall-Szenario"-Denken von einer Vorwarnzeit von einem Jahr, also ist die gefährliche und teure Vorratshaltung nicht notwendig [3].
Die Bürger-Initiative hat sich 2007 wegen Erfolglosigkeit aufgelöst, an der Gefahrenlage hat sich jedoch nichts geändert.
Quellen
- ↑ Pforzheimer Zeitung vom 26. und 27. September 1991, Pforzheimer Kurier vom 6. Juli 1994
- ↑ MdB Erler am 2. Juni 1995 an Verteidigungsminister Rühe
- ↑ Bundeswehr im Pforzheimer Kurier vom 6. Juli 1994
- Pforzheimer Zeitung vom 4. März 1970
- Pforzheimer Kurier vom 27. Juni 1991
- Pforzheimer Kurier vom 23. Mai 2007